Mittwoch, 17. Oktober 2012

stay strong!

So einen Renn-Bericht verfasst man am besten im noch endorphin-überschwemmten Zustand, dann verliert er nichts an Authentizität für Euch!

Auch dieser Renntag begann für mich um 4Uhr morgens, in der dunklen, in der sehr dunklen Nacht von big island, die dank der fehlenden Großstädte und überhaupt nur sehr spärlicher nächtlicher Beleuchtung sehr dicht wirkt, das Meer rauscht, als ob nichts wäre......ich packe mir die erste Schicht 50er Sonnencreme auf die Haut, auch wenn sie nicht lange dranbleiben wird, wir frühstücken und brechen auf. So lange man alleine ist, hält sich die Aufregung in Grenzen, aber dann....als wir mit anderen Athleten an der Straße stehen, um auf den Shuttle zu warten, wieder diese ruhig-gespannte Stimmung, und das Herzklopfen beginnt.... Wir kommen am Pier an, müssen am Zieleinlauf vorbei, er ist hell angeleuchtet und plötzlich wird einem klar: Das ist es, ich bin jetzt und hier und es geht wirklich los!!!!

Der erste Weg führt mich zum bodymarking, hier wird einem mit schwarzer Stempelfarbe die Startnummer auf den Arm gemalt, freundliche Worte und Aufmunterungen von allen Seiten, Gewusel überall, man wird gewogen und sieht nun schon sehr startbereit aus. Dietmar macht sich in Richtung Schwimmstart auf und ich suche mir meinen Radplatz: Verpflegung anbringen, Flaschen füllen, Schuhe mit Gummis befestigen, Reifen aufpumpen (etwas konservativ mit 10bar, die Sonne wird bald aufgehen und dann wird es richtig schnell warm...mein Alptraum: ein geplatzter Reifen nach dem Schwimmen!), Helm, Brille...es geht sehr eng zu, die Räder stehen in einfachen Holzständern, nichts darf auf dem Boden stehen. Aber überall freundliche Helfer, einer leiht mir sogar seine Lesebrille, weil ich ohne meine eigene nicht die bar Zahl auf der Pumpe lesen kann...;-).

Von dort aus geht es zum Schwimmstart, die Stimmung hier ist etwas, was ich bestimmt mein ganzes Leben lang nicht mehr vergessen werde: es wird langsam heller, der Himmel zart hellblau und grau, Tausende Menschen sítzen auf den Kaimauern, die Profis schwimmen sich bereits ein, während wir hinter dem großen roten Ausstiegstor warten, jeder noch mit kleinen Handgriffen beschäftigt, ich bin sehr froh, noch einen zweiten Anzug zu tragen, über uns dröhnt der Hubschrauber, der Moderator erzählt etwas und dann ist es plötzlich ganz still: eine Männerstimme singt laut ein hawaiianisches Lied, eine Band schlägt die Trommeln, wir bejubeln uns alle: Zuschauer und Sportler. Ein absolut irrer Moment, dem dann sogleich der praktische Teil folgt: die Profis sind unterwegs, wir dürfen ins Wasser!!

Frisch ist es noch und hat ordentlich Brandung. Ich kraule langsam hinaus, halte mich eher links und hänge mich mit vielen anderen an ein Boot, während die vorderste Reihe sich stetig ins Meer hinausschiebt, während die Paddler versuchen, die Masse zurückzudrängen:beim Start werden wir gut 15m vor der offiziellen Startlinie sein, es ist Ebbe. In genau diesem Moment kommt die Sonne über den Berg, die ersten Strahlen tauchen alles in ein goldenes, freundliches Licht, mich überkommt statt einem Herzinfarkt eine tiefe Vorfreude auf dieses Rennen!

Mit dem berühmten Kanonenschuss gehts los...und ich bin sofort positiv überrascht:KEIN Geprügel, ein paar Züge Wasserballkraul, ich finde eine Lücke, die auch eine bleibt und komme sehr schnell ins gleichmäßige Schwimmen. Mir fällt auf, dass insgesamt sehr rücksichtsvoll geschwommen wird: kommt man sich zu nahe, weicht man eher aus, statt sich (wie in F) mit jedem Armzug gegenseitig an den Hinterkopf zu schlagen, ich beruhige mich und fühle mich wohl. Um die Orientierung kümmere ich mich nur sporadisch, da die Strecke geradeaus führt, zieht das Feld einen mit, vor mir findet sich ein paar Füße ein, die regelmäßig schwimmen und die ich fast bis zum Ende der Strecke immer wieder "streichle", das fand der Besitzer bestimmt nervig. Wir kommen schnell zum Wendepunkt, der von einem großen Segelboot markiert wird. Auch hier lautstarke Anfeurer.....nun ändert sich das Schwimmgefühl etwas, die Wellen werden deutlich höher, atmet man im falschen Augenblick, schluckt man Salzwasser, einmal, aber wirklich nur einmal ganz kurz, kommt mir der Magen hoch, das Gefühl legt sich aber wieder. Es wird nun anstrengender, wir schwimmen gegen die Strömung und das macht sich deutlich am Krafteinsatz bemerkbar....aber trotzdem genieße ich es, hin und wieder erhasche ich einen Blick auf ein buntes Fischlein unter mir. Neben uns taucht die Hafenmauer auf, der Trubel nimmt zu, es ist ein so tolles Gefühl, 3,86km im offenen Pazifik geschwommen zu sein. Wir stolpern aus der Brandung, die berühmten Treppen hinauf, mein Blick auf die Uhr verrät mir eine etwas maue Zeit von 1:14. Mit 1:10 hatte ich gerechnet, das ärgert mich erstmal, weil ich zumindest vom Gefühl her doch ganz gut unterwegs war. (Schaut man allerdings auf die Ergebnislisten, ist diese Zeit im AK-Bereich gar nicht soooooooo schlecht....)

Zeit zum Nachdenken bleibt eh keine, als erstes stellen wir uns kurz unter die Frischwasserdusche, um das Salz abzuspülen, ich schnappe mir meinen leeren Radbeutel und drücke diesen ebenso leer der Helferin im Wechselzelt in die Hand....und laufe einfach weiter. Wie doof kann man sein! Nach ein paar Meter bemerke ich, dass ich meine Kappe und Brille noch in der Hand habe, den Schwimmanzug noch trage...also wieder zurück, hektisch versucht den Anzug auszuziehen, mich dabei auf den Hosenboden gesetzt, und alles entnervt einem volounteer in die Hand gedrückt....ein Pleiten-Pech-und-Pannen-Gefühl beschleicht mich...

Aber da steht mein Hexenbesen, freut sich, ich mich auch, streife noch etwas ungeschickt die Armlinge über und bin schnell aus der Wechselzone draussen, problemlos in den Schuhen drin und on the way....die erste Schleife durch Kailua vergeht mit Sortieren, Schwindel ablegen, trinken, und ein Gel essen...dann sind wir auf dem Highway, es wird still um uns herum, den Wind im Rücken fährt es sich die ersten km richtig flott und rund. In gewohnter Manier überhole ich von Anfang an alles, was ich so an Mädels auf dem Rad entdecken kann....das Fahren ist nicht ganz leicht, es bilden sich ständig Grüppchen, alle hängen zusammen, überholen rechts, in dritter Reihe oder auch mal mittendurch...und das mehr oder weniger geschickt, nur mit gut Festhalten verhindere ich einen Sturz, als eine Überholende mein Vorderrad rammt...die Marshalls beobachten uns, lassen uns aber weitesgehend in Ruhe.

Der Wind ändert sich nach ca. 30km, als die ersten böigen Seitenwinde einsetzen, das Fahren wird angespannter, man fährt konzentriert und hält sich fest. Ich versuche dabei, kleine Windlücken zum Essen und Trinken auszunutzen, denn im vollen Wind bekomme ich die Hand nicht hinter mich an die Radflasche. So langsam wird es auch heiß, die angereichten Wasserflaschen sind leider so dünn, dass sie mir bei jeder Bodenwelle in hohem Bogen aus dem Ständer fliegen und ich wieder 7km auf die nächste warten muß...wannimmer ich eine habe, kühle ich mir Nacken, Arme und vor allem den Kopf...wie sich wohl die anderen unter ihren Aerohelmen fühlen? Wenn ich mir die Haltung anschaue, mit der sie fahren, denke ich mir eh, dass sie ruhig auf ihn hätten verzichten könnten!

Der Anstieg nach Hawi erweist sich als echter Kampf: der Wind bläst wie verrückt von der Seite, von vorne, stetig oder auch mal böig, man verkrampft, weil man ständig einen neuen Windstoß erwartet, alle kurbeln alleine vor sich hin....welche Erleichterung, als wir endlich oben sind, ich bin völlig fertig und schon müde. Im kleinen Ort Hawi sind alle Bewohner auf den Beinen, ich nutze die Gelegenheit zu essen, zu trinken und mich erneut zu kühlen.

Dann gehts wieder bergab, der mit Abstand angenehmste Teil der Radstrecke beginnt: Rückenwind, bergab...wagemutig fange ich an, meine mögliche Endzeit zu berechnen....bis die Abfahrt zu Ende ist und der Wind, ach ja, der Wind, wieder von der Seite stürmt und statt einem fröhlichen "Heimradeln" beginnt hier der eigentliche Wettkampf: die kleinen Spielchen mit den Gegnerinnen sind beendet, jeder kämpft und arbeitet allein für sich in der Hitze, kühlt sich, versucht, zu essen, viel zu trinken und hin und wieder einen Blick in die grandiose Landschaft zu werfen.

Beim Versuch, einen der merkwürdigen powerdrinks in meine Flasche umzufüllen, reißt der Verschluß ab und ich leere gelbe klebrige Flüssigkeit über meine Hose, na toll. Die nächste Wasserflasche dient der Reinigung. ;-)

Bei km 130 setzt das nächste Problem ein: in meiner linken Kniekehle zieht es beim Fahren, der Schmerz breitet sich langsam über die Wade, das Knie und den Oberschenkel aus. Es ist nicht unerträglich, aber zusammen mit der nun schon deutlich fortgeschrittenen Müdigkeit und der Hitze beginne ich bei km 150 ein wenig sorgenvoll an den Marathon zu denken....und damit ich ihn ja nicht vergesse, setzt nun der berüchtigte Gegenwind ein, mit aller Heftigkeit von vorne und ich zähle die km rückwärts...als links plötzlich ein Motorrad auftaucht und mir die rote Karte wegen Windschattenfahren zeigt, spitze. Eigentlich nur ein Moment der Unaufmerksamkeit bei mir, und ärgerlich, weil ständig alle im Windschatten hängen und ich mich als einzige Doofe "erwischt" fühle...ich widerstehe aber dem Impuls lauthals zu protestieren, macht eh keinen Sinn. Ein paar km bin ich nun aus Frust langsamer, bis mir einfällt, dass das nächste Penalty Zelt vermutlich in der Wechselzone liegt und ich vielleicht doch ganz froh über ein Päuschen sein werde...

...mit 5:38 auf dem Rad bin ich ganz zufrieden, war ein hartes Stück Arbeit und zu Beginn der Radstrecke hätte ich auf mehr zu hoffen gewagt!

Nach den im gelben Sünderzelt abgesessenen 4 Strafminuten ging es also auf die Laufstrecke, zwar ein bisschen erholt dank der Pause, die ich zum Dehnen der schmerzenden Beinmuskulatur genutzt habe, zugleich aber mit einer Wut im Bauch, stehenbleiben zu müssen und andere vorbeizulassen....in Kamikaze-Laune stürze ich mich den Alii Drive hinunter, völlig vernunft-befreit und viel zu schnell! Aber irgendwie dachte ich mir, ich erlaufe mir einen kleinen "Vorsprung, den ich dann nach und nach aufbrauche, wenn die km splits runtergehen würden. Denn DAS sie runtergehen würden, war angesichts der Strecke in der Hitze völlig klar....

Gesagt, getan: die ersten 18km verliefen relativ sorglos, viele Zuschauer waren da, feuerten unermüdlich an, ließen einen nicht allein und somit auch nicht viel Zeit zum Nachdenken...was man da nicht alles zu hören bekam, von "stay strong" bis "nice legs"! :-)

Als die Palani Road in Sicht kam, erschien sie mir erschreckend lang aufsteigend, ich konnte sie aber mit kleinen flachen Schritten gut erklimmen, um mich herum gingen schon viele. Oben angekommen, brüllte jemand neben mir: "I did it!!", wie wahr. Aber da lag ja noch was vor uns: der Queen K Highway, in voller Nachmittagshitze, ohne Schatten, ohne Zuschauer, ohne Ablenkung....einfach nur ein flimmernder Streifen Asphalt, sich endlos ziehend...ist das zu pathetisch? Naja, wenn man das so 25km lang vor sich hat, kann einem schon pathetisch zumute werden.....;-)

Und so kämpfte ich mich durch den verbleibenden Halbmarathon, alles reduziert auf das Erreichen der nächsten Verpflegungsstation, die nächsten zwei Becher Wasser und ein Becher Cola zum Trinken, die nächsten vier Schwämme über den Kopf, und die nächsten beiden Becher Eis für den Ausschnitt...selbst 1 Meile Abstand kann da ziiiiiiemlich lang werden. Auch, dass mich viele Frauen noch im flotten Schritt überholt haben, war nicht gerade erbaulich und als Ersatz hielt ich mich moralisch daher eher an die schwächelnden Männer, die sehr viel gingen...

Wie, weiß ich nicht mehr genau, aber irgendwann kam ich doch wieder an die große Kreuzung, an der man rechts runter die Palani Road läuft, jetzt sind es nur 1,6km, ich kann schon die Musik und die Ansagen hören, mich überflutet ein berauschendes Gefühl von glücklicher Erleichterung....ICH HABS GESCHAFFT! Die Laufzeit von 4:03 weiß ich noch nicht, aber das war echt der Hammer!!!

Und da ist sie die Ziellinie, die heute morgen noch im Dunklen lag, hell angestrahlt von Scheinwerfern, gesäumt von jubelnden Menschenmassen, die einen abklatschen wollen....angekommen im großen Triathletenhimmel, YEAH!

Was für ein hartes, aber zugleich wunderschönes Rennen! You are an ironman....

In einer Zeit von 11:06:32, AK 17/81






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen